Wählen ab 16 Jahren?

Das Wahlalter ist ein Thema, das immer wieder mal auf der Tagesordnung steht und irgendwie scheint es uns in Deutschland nicht zu gelingen, von der magischen Zahl 18 wegzukommen. Doch warum ist das so und ergibt es Sinn, Menschen erst ab 18 Jahren wählen zu lassen?

Wozu wählen wir überhaupt?
Wahlen dienen in unserer Demokratie dazu, Vertreter:innen unserer Meinung in die Regierung zu wählen, die dort repräsentativ für uns an Abstimmungen teilnehmen, um die Zukunft unserer Gemeinschaft zu formen. Damit die Menge an Ideen und Ansätzen innerhalb der Politik verständlich und konsensfähig bleibt, versuchen Parteien tendenziell ähnliche Meinungen und Ansichten unter einem Dach zu vereinen, innerhalb der Partei einen Kompromiss zu finden und diesen Kompromiss dann in der Regierung wiederum mit anderen Parteien und deren Kompromissen erneut zu „kompromissieren“. Das sorgt zwar dafür, dass am Ende wenig von der ursprünglichen Meinung des bzw. der Wählenden übrig bleibt, doch mit knapp 65 Millionen wahlberechtigten Menschen in Deutschland (Stand 2019 (1)) wäre anders kaum eine Konsensfindung möglich.

Wieso dürfen wir ab 18 Jahren wählen?
Vor 1970 durften Menschen in Deutschland erst ab 21 Jahren wählen, doch aufgrund der Studierendenproteste kam man in der damaligen Bundesregierung irgendwann darauf, dass es die Lage entschärfen könnte, wenn man mehr jüngeren Bürger:innen die Möglichkeit gibt, an den Wahlen teilzunehmen. (2) An sich ein nicht falscher Gedanke und meiner Meinung nach auch ein wichtiger Schritt. Allerdings zeigt sich hier auch, dass die Festlegung der Volljährigkeit und der Mündigkeit, „richtig“ wählen zu können, recht willkürlich festgelegt zu sein scheinen.

Sollte man heutzutage mit 16 Jahren wählen dürfen?
Von mir gibt es dazu ein klares Ja! Wir leben in einer sich schnell verändernden Welt mit Problemen, die uns vor allem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor gewaltige Herausforderungen stellen wird. Besonders der Klimawandel und die Digitalisierung stechen hierbei heraus. Entsprechend sollten auch diejenigen Generationen, die davon künftig am meisten betroffen sein werden, die Möglichkeit bekommen, bei politischen Fragen ihre Stimme in den Topf werfen zu können, denn es ist vor allem ihre Zukunft, die davon tangiert und bedroht wird. Die Krux bei der Sache ist nämlich, dass es kein Höchstwahlalter gibt, das Menschen ab einer gewissen Schwelle wieder aus dem Wahlvorgang ausschließt, ungeachtet dessen, dass die Wahlentscheidung sehr alter Menschen deren eigene Zukunft kaum noch oder gar nicht mehr beeinflussen wird.

Warum sind dann viele dagegen?
Meinem Eindruck nach sind vor allem konservative Menschen gegen ein Wahlrecht ab 16 Jahren, da sie befürchten, dass damit ihre eigenen Interessen nicht mehr den Einfluss haben, den sie momentan noch haben. Wenn man sich mal ansieht, wie hoch das Durchschnittsalter (3) der Mitglieder der klassischen deutschen Parteien ist, zeigt sich schnell, dass die Politisierung junger Menschen für die bestehenden Gefüge gefährlich werden könnten. Diese Angst zeigt sich vor allem an den Äußerungen von Seiten der CDU, die mit einem Mitgliederalter von durchschnittlich über 60 Jahren wenig davon hätte, wenn mehr junge Menschen wählen dürften. Denn die Interessen von Alten und Jungen gehen gerade bei Zukunftsthemen oft weit auseinander. Darüber hinaus wird jungen Menschen auch häufig vorgeworfen, sie wären zu wankelmütig und würden sich leicht manipulieren lassen (Stichwort: Rezo). Das impliziert jedoch, dass ältere Menschen sich weniger leicht manipulieren lassen und sie bessere politische Entscheidungen treffen. Doch warum wissen dann die meisten Wähler:innen nicht, was in den Parteiprogrammen der Parteien steht, die sie Jahr für Jahr wählen? Warum wissen so viele Wahlberechtigte einen Tag vor der Wahl noch nicht, wen sie wählen sollen? Das liegt sicherlich nicht daran, weil sie so tief im Thema Politik verankert sind und nach Überzeugungen wählen, sondern eher daran, dass die meisten Menschen Politiker:innen nach Sympathie wählen oder danach, welche/r Parteivertreter:in die letzte gute Aussage getroffen hat. Mündigkeit ist absolut keine Frage des Alters!

Fazit?
Für mich scheint die Festlegung des Wahlalters relativ willkürlich und sollte entsprechend des Zeitgeistes auch korrigiert werden können. Wie es 1970 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde, sollte es nun auf 16 Jahre festgelegt werden. Denn was wir heute erleben, und durch die „Fridays For Future“-Demos auch immer wieder deutlich sehen, ist, dass die Jugendlichen wieder politisch aktiv sind und durch das Internet heutzutage auch viel mehr Möglichkeiten haben, sich politisch zu informieren und zu bilden. Im Gegensatz zu älteren Semestern sind junge Menschen zudem oft deutlich weniger borniert in ihren Meinungen und halten die morgendliche Lektüre der BILD-Zeitung auch nicht für ausreichend, um sich eine Meinung zu einem Thema zu verschaffen. Nochmal: Mündigkeit ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage des Charakters und des Interesses.

Quellen:
(1) https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/europawahl-2019/03_19_wahlberechtigte-deutschland.html
(2) https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/311559/vor-50-jahren-wahlrecht-fuer-18-jaehrige
(3) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/192255/umfrage/durchschnittsalter-in-den-parteien/