Gendergerechte Sprache

Es ist ein Thema, das die Gesellschaft spaltet: Gendergerechte Sprache
Doch was genau ist das eigentlich und ist es wirklich so wichtig? Oder verkompliziert das Gendern in Schrift und Wort unsere Kommunikation nur unnötig? Dazu möchte ich einige Gedanken formulieren.

Was ist gendergerechte Sprache?
Gendergerecht heißt im Prinzip nichts anderes als „den Geschlechtern gerecht“. Bedeutet also, dass wir in unserer Sprache alle Geschlechter gleichermaßen einbeziehen. Bislang war es nämlich so, dass die deutsche Sprache ausschließlich das generische Maskulinum kannte, also alle Bezeichnungen die männliche Form annahmen, sobald ein Mann in der entsprechenden Gruppe vertreten war. Bedeutet also, dass beispielsweise bei Polizist:innen verschiedenen Geschlechts immer die männliche Form, also Polizisten, verwendet wurde und alle Polizistinnen quasi in dieser männlichen Form „mitgemeint“ wurden. Diese Art der Formulierung stammt noch aus einer Zeit, in der Frauen sowieso wenig bis nichts arbeiten durften und auch sonst in der Gesellschaft nur wenig Mitsprache- und Wirkungsrechte hatten.

Warum aber etwas ändern, wenn es seither auch niemanden gestört hat?
Die Frage ist: Hat es wirklich niemanden gestört, oder war die Gleichberechtigung nicht männlicher Personen einfach noch nicht weit genug vorangeschritten, als dass man dieses Thema hätte ansprechen können?

Man darf nicht vergessen, dass mit jeder Antwort auf komplexe Fragen direkt wieder neue Fragen entstehen. Analog dazu verhält sich das auch beim gesellschaftlichen Miteinander. So gab es früher, als Frauen noch nicht selbstbestimmt arbeiten oder wählen durften, andere, dringlichere Dinge, die man auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter angehen musste. Heute sind zwar abseits der gendergerechten Sprache noch viele weitere Ungerechtigkeiten anzugehen, um irgendwann eine wirkliche Gleichstellung etabliert zu haben, doch sind wir mittlerweile an einem Punkt, an dem neben den gesetzlichen Rechten auch viel im Denken verändert werden muss.

Wenn Frauen in Führungspositionen kommen, wird ihnen von Männern – und teilweise auch von anderen Frauen – gerne unterstellt, sie hätten den Job nur wegen der Quote, oder weil sie sich hochgeschlafen haben – eine fachliche Kompetenz wird ihnen dabei eher selten attestiert. Das hat damit zu tun, dass unsere Gesellschaft noch immer von Männern dominiert wird und in den meisten einflussreichen Positionen noch immer Männer die Entscheidungsgewalt haben. Das ist besonders ungünstig, weil diese Männer häufig bereits gehobeneren Alters und konservativ in ihrem Denken sind, weshalb deren Frauenbild tendenziell stark chauvinistisch und sexistisch geprägt ist.

Dieses Frauenbild ist allerdings nicht nur in den Führungsetagen der großen Unternehmen verankert, sondern in den Köpfen von sehr vielen Männern quer durch die Gesellschaft. Ein patriarchales Denken ist nämlich vor allem auch für Männer mit geringerem Selbstwert eine Möglichkeit, sich zumindest noch über die Frau, Freundin oder allgemein alle Vertreterinnen des anderen Geschlechts stellen zu können, um sich damit nicht ganz so erbärmlich zu fühlen.

Okay, aber was hat das mit der Sprache zu tun?
Sprache ist ein mächtiges Instrument. Das weiß jede:r, der oder die sich mal die großen Reden der Geschichte angehört hat. Ob Charlie Chaplins Ansprache in „Der große Diktator“ oder Martin Luther Kings „I have a dream“-Rede, Sprache bewegt uns bewusst und unbewusst. Deshalb ist es für die Gleichwertigkeit aller Geschlechter auch hinderlich, wenn in unserem Sprachgebrauch ausschließlich die männliche Form verwendet wird. So suggerieren wir unterbewusst nämlich, dass Männer den Hauptteil der Gesellschaft abbilden und Frauen oder Mitglieder der LGBTQ-Community nur Randerscheinungen, also weniger wichtig sind.

Um dieses Ungleichgewicht in der Wahrnehmung wieder auszugleichen, müssen also alle Geschlechter gleichermaßen in unserer Sprache vertreten werden – und genau da kommt die gendergerechte Sprache ins Spiel!

Wie funktioniert gendergerechte Sprache?
Viele glauben, gendergerechte Sprache sei ausschließlich die Verwendung des Gendersternchens *, das mittlerweile sogar seinen Platz im Duden gefunden hat. Doch gibt es durchaus mehr Möglichkeiten, gendergerecht zu schreiben und zu sprechen. Neben dem Sternchen (Lehrer*innen) verwenden manche auch das Binnen-I (LehrerInnen), einen Doppelpunkt (Lehrer:innen) oder die Gender-Gap (Lehrer_innen). Allerdings sind auch das Ausschreiben beider Formen (Lehrer und Lehrerinnen) und das neutrale Formulieren (Lehrende) Möglichkeiten für gendergerechte Sprache. Sternchen, Doppelpunkt, Binnen-I und Gender-Gap werden übrigens als kleine Pause gesprochen – also Lehrer(Päuschen)innen und geht mit etwas Übung ganz leicht von den Lippen.

Es geht also nicht zwangsläufig darum, unbedingt ein Sternchen oder einen Doppelpunkt einzuführen, sondern lediglich darum, dass man alle Geschlechter in die Sprache mit einbezieht, um so auch im Unterbewusstsein eine Gleichwertigkeit herzustellen. Dass das nicht nur von mir ausgedachter Quatsch ist, zeigt unter anderem eine Studie aus Schweden. (1)

Lohnt sich der Aufwand überhaupt, oder ist das nur eine Modeerscheinung?
Ist die Gleichstellung der Geschlechter eine Modeerscheinung? Ich denke nicht! Insofern lohnt sich das auf jeden Fall und wenn man sich mal ansieht, wie weit das Ganze bereits fortgeschritten ist, merkt man auch, dass der Einzug gendergerechter Sprache in unseren Alltag bereits in vollem Gange ist. So gendern beispielsweise sogar die Tagesschau und Deutschlandfunk Kultur in ihren Artikeln und auch im Radio selbst hört man immer mehr Moderator:innen gendern.

Hinzu kommen auch alle Folgeeffekte, die eine zunehmende Gleichstellung im Kopf vorantreibt. So könnte das sexistische Denken bei Männern abnehmen, wenn sie Frauen auch unterbewusst mehr und mehr als gleichwertig wahrnehmen, und Frauen müssten sich bei einer Beförderung keine dummen Sprüche mehr anhören. Zudem wäre sicherlich auch die Übergriffigkeit von Männern gegenüber Frauen rückläufig, wenn sie nicht mehr als Sexobjekte entwertet, sondern als gleichwertige Menschen wahrgenommen werden.

Und ja, bis wir all diese Dinge erreichen, wird bedauerlicherweise noch einige Zeit vergehen, doch je mehr Männer umdenken und sich entsprechend verhalten, umso schneller bekommen wir eine wirkliche Gleichstellung realisiert und desto fixer müssen wir uns für unseren Umgang miteinander nicht mehr schämen!

Links:
(1) https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/studie-aus-schweden-geschlechtergerechte-sprache-wirkt/24906988.html

Beispiele, die zeigen, dass „mitgemeint“ eben nur in eine Richtung okay zu sein scheint:
https://taz.de/Gesetzesentwurf-im-generischen-Femininum/!5717489/
https://jurios.de/2020/10/14/juristin-schreibt-promotion-im-generischen-femininum/

Was ist mit non-binären Menschen?
https://www.nonbinary.ch/sprache/

Weitere interessante Links:
https://www.mdr.de/kultur/empfehlungen/kuebra-guemuesay-sprache-und-sein-buch-100.html
https://geschicktgendern.de/muss-das-sein/