Ein guter Mensch dank des Regenbogens?

Im Pride-Month (Juni) wird die Ungleichbehandlung der LGBTQI+-Community (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer und Intersex) innerhalb unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt gerückt und auf entsprechende Missstände aufmerksam gemacht, die deren Diskriminierung betreffen.
Um sich mit queeren Menschen solidarisch zu zeigen, greift man vielerorts auf die Regenbogenfarben zurück, die für eine diverse Gesellschaft stehen und allen heteronormativen Menschen zeigen soll: Uns gibt es auch noch!

Das Problem, mit dem die LGBTQI+-Community nämlich täglich konfrontiert ist, ist das in unserer Gesellschaft etablierte und eingestaubte Bild von heterosexuellen Männern und Frauen und dem angeknüpften Gedanken, dass alle anderen sexuellen Orientierungen oder geschlechtlichen Identifizierungen unnormal seien oder gar eine Krankheit. Entsprechend begegnen Menschen mit einem solch konservativen Denken queeren Menschen mit Vorsicht, Ablehnung, Ekel oder gar von Hass erfüllt. Dass die Betroffenen darunter leiden sollte ebenso selbsterklärend sein wie der Wunsch, endlich ohne Anfeindungen und Angst durchs Leben gehen zu können. Hier kommt nun die Regenbogenflagge ins Spiel.

Dazu ein Zitat aus Wikipedia:
„Die Regenbogenfahne ist eine Form des Regenbogens als Symbol. Sie steht in zahlreichen Kulturen weltweit für Aufbruch, Veränderung und Frieden, und sie gilt als Zeichen der Toleranz und Akzeptanz, der Vielfalt von Lebensformen, der Hoffnung und der Sehnsucht.“

Um ihre Existenz und ihr Menschsein wieder in den Fokus der Gesellschaft zu rücken, nutzt die LGBTQI+-Community die Regenbogenflagge als Symbol für ihre Unterdrückung und fordert gleichsam damit ein, dass wir unsere Gesellschaft frei machen von Diskriminierungen anderer. Auch viele nicht queere Menschen zeigen sich auf diese Weise solidarisch und wollen so helfen, die Themen Gleichstellung und Gleichberechtigung voranzutreiben und weiter in unserer Gesellschaft zu etablieren.

Gerade jetzt zur Fußball Europameisterschaft hat sich aber gezeigt, dass es nicht immer so einfach ist, klare Zeichen zu setzen. Zwar sieht man vielerorts energische Solidaritätsbekundungen durch Fans, doch gibt es auch viele, die sich von der Allgegenwärtigkeit der Regenbogenfarben genervt fühlen. Sie sind oft der Meinung, Politik hätte im Fußball nichts verloren und entsprechend sollte man auch die Belange der queeren Community aus dem Sport verbannen. Doch ist es so einfach? Ist das wirklich ein Politikum? Schon rein statistisch gesehen spielen viele queere Menschen in den Nationalmannschaften und in den Top-Ligen dieser Welt. Die meisten outen sich jedoch entweder gar nicht, oder erst nach Ende ihrer Karrieren, weil sie Angst davor haben, in der doch oft homophoben bzw. homofeindlichen (Und ja, es ist genau das, was das Wort eigentlich bedeutet: menschenfeindlich!) Umgebung mit Anfeindungen und Benachteiligungen konfrontiert zu werden. Zudem muss man sich natürlich die Frage stellen, ob das Einstehen für Menschenrechte und der damit verknüpfte Kampf gegen Unterdrückung ein Politikum ist, oder nicht eher eine Notwendigkeit für eine freie Gesellschaft darstellt. Denn wer hat denn einen Nachteil dadurch, wenn queere Menschen ohne Angst durchs Leben gehen können? Richtig! Niemand!

Manche erzkonservativen Menschen glauben sogar, Kinder würden homosexuell, wenn sie zu viele Homosexuelle im Fernsehen sehen. Ernsthaft? (Error 404: Bildung not found!) Davon abgesehen: Was wäre denn so schlimm daran, wenn das Kind homosexuell wäre?

Okay, aber hilft es nun, wenn wir einen Monat lang unsere Profilbilder in Regenbogenfarben hüllen? Von mir dazu ein klares Jaein. Denn sicher hilft es, die Reichweite des Pride-Month und der dahinter stehenden Idee zu vergrößern, doch habe ich oft den Eindruck, dass sich auch Menschen solchen Aktionen anschließen, die nach Ende des Hypes wieder zu ihren normalen, wenig reflektierten Leben zurückkehren und sich nicht weiter um die Rechte der Betroffenen kümmern – und vielleicht, wenn sie tief in sich hineinhören würden, auch ein Problem damit hätten, wenn der eigene Sohn schwul wäre. Wir konnten das Phänomen auch schon bei „Black Lives Matter“ beobachten, als Tausende von Menschen in Deutschland plötzlich für die Rechte der Schwarzen eingetreten sind und schwarze Quadrate zu ihren Profilbildern gemacht haben. Doch was ist davon übrig geblieben? Viele dieser Leute wechseln trotzdem noch die Straßenseite, wenn ihnen eine Schwarze Person entgegenkommt. Es würde der LGBTQI+-Community – ebenso wie allen anderen unterdrückten Gruppen – also deutlich mehr helfen, wenn die Solidarität nicht auf einen besonderen Zeitraum begrenzt wäre, sondern täglich durch ein reflektiertes und weltoffenes Leben praktiziert werden würde. Alles andere ist nämlich meines Erachtens nichts anderes als Heuchelei, um sich selbst das Gefühl zu geben, eine:r von den Guten zu sein – eine Art der Selbstbeweihräucherung sozusagen.

Dieselbe Selbstbeweihräucherung auf Kosten anderer sehen wir übrigens auch bei großen Unternehmen. Diese zeigen sich hier in Deutschland solidarisch mit queeren Menschen und färben ihre Logos bunt ein. Gleichzeitig bleiben die Logos der selben Unternehmen in anderen Ländern jedoch davon unberührt. Ein schönes Beispiel dafür war dieser Tage BMW. BMW Deutschland hat großspurig das eigene Logo auf den Social Media-Kanälen bunt eingefärbt und betont, wie wichtig Solidarität und Gleichstellung sei, während BMW Saudi-Arabien sich nicht angeschlossen hat, und das obwohl in Saudi-Arabien Homosexualität sogar noch mit dem Tode bestraft werden kann. Am Ende steht dahinter also keine solidarische Konzernhaltung, sondern reines ökonomisches Kalkül. Das kann zwar temporär auch gut für die Reichweite sein und mag dem einen oder anderen AfD-Achim vielleicht auch kurz die Hutschnur platzen lassen, doch ist die Intention rückgratlos und somit wenig nachhaltig.

Wenn wir der LGBTQI+-Community also helfen wollen, müssen wir das täglich in unserem Umgang mit ihr leisten, indem wir queere Menschen als das sehen, was sie sind – nämlich Menschen – und ihnen beistehen, wenn sie durch andere angefeindet oder bedroht werden. Denn ein positiver gesellschaftlicher Wandel kann nur passieren, wenn die Mehrheit der Gesellschaft sich vereint gegen Rückschritt und Unterdrückung stellt. Einmal im Jahr eine Regenbogenfahne aus dem Fenster zu hängen, reicht da nicht.