Alte weiße Männer – eine kurze Ausführung

In der Debatte um Geschlechter, deren Rollen in der Gesellschaft, Diskriminierung und systematischem Rassismus wird häufig ein klares „Feinbild“ definiert: Der alte, weiße Mann.
Doch ist es fair, einfach alle weißen Männer in einen Sack zu werfen und mit dem Knüppel der Schuldzuweisung draufzuhauen? Nein, ist es nicht!

Allerdings gilt die Kritik am „alten weißen Mann“ nicht allen weißen Männern, sondern steht sinnbildlich für all jene, die die systematische Ausbeutung anderer vorantreiben und die eigenen Privilegien immer weiter ausbauen und zementieren wollen. Ironischerweise könnte man entsprechend auch Menschen anderer Ethnien und anderen Geschlechts dazuzählen, die sich bei ihrem Streben nach Macht ebenso dem Duktus des Kolonialgedankens verschreiben und die vermeintlichen Leidensgenoss:innen unterdrücken, um den eigenen Status nicht zu verlieren. Zwar muss man bei der Zuschreibung dieser Menschen zum Klientel der „alten weißen Männer“ Vorsicht walten lassen und kann sie nicht wirklich auf dieselbe Stufe stellen, doch in Ansätzen kann man zumindest den Vorzug von Privilegien vor Solidarität in dieselbe Richtung schieben und kritisieren. So werden beispielsweise schwarze Polizist:innen in den USA, die sich dem häufig rassistisch motivierten Treiben innerhalb ihrer Arbeit zuwenden, gerne auch mal als „Sellouts“ bezeichnet. (Womit ich nicht sagen möchte, dass alle Polizist:innen Rassist:innen sind – ungeachtet ihrer Ethnie)

Das bedeutet also, dass sich niemand von der Kritik an den „alten weißen Männern“ angegriffen fühlen muss, so lange er sich seines Standes in der Gesellschaft bewusst ist, sich gegen dieses System der Unterdrückung ausspricht und auch entsprechend handelt. Analog dazu muss ich mich ja auch nicht angegriffen fühlen, wenn Menschen aus anderen Ländern die Deutschen als Nazis bezeichnen, wenn ich mich nicht zu dieser Gruppe zähle. Und für alle, die sich trotzdem davon angegriffen fühlen: Warum ist das wohl so? Zwinkersmiley

Also, wie komme ich als weißer Mann aus der Schusslinie? Das Zauberwort heißt Reflexion! Befasst euch mit euch, der Gesellschaft in der ihr lebt und eurem Stand in dieser. Lest euch in Themen ein, von denen ihr nichts versteht, anstatt sie einfach als Unsinn abzutun und hinterfragt immer wieder, ob das eigene Handeln und Denken den Menschen widerspiegelt, der ihr sein wollt. Denn wenn man Menschen fragt, ob man für die Würde des Menschen und ein moralisches, menschliches und friedliches Zusammenleben ist, sagen die meisten ja. Wenn es in Diskussionen jedoch um Menschen anderer Herkunft und Ethnie geht, die in Deutschland leben oder leben wollen, klingen die Aussagen oft deutlich anders – und all jene, auf die diese paradoxe Situation zutrifft, belügen sich selbst, um nicht erkennen zu müssen, dass sie bis zu einem gewissen Grad eben doch Rassist:innen sind.

Neben der Sache mit der ethnischen Zugehörigkeit und dem damit einhergehenden privilegierten Leben als europäische, weiße Person, begründet auch die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht einen großen Teil der Problematik. Denn überall dort in der Gesellschaft, wo Männer seit jeher den dominanten Part eingenommen haben – also quasi überall -, werden auch Frauen und nicht binäre Personen unterdrückt. Das beginnt bei permanenter Sexualisierung und geht über das Anzweifeln von Kompetenzen bis hin zum Absprechen des Geschlechts (betrifft die LGBTQ+ zugehörigen Menschen). Auch hier muss ein Umdenken und ein Hinterfragen der eigenen Stellung vorangetrieben werden, damit künftig allen Menschen, ungeachtet der Ethnie, des Geschlechts oder auch der Religion dieselbe privilegierte Stellung und damit dieselbe Menschenwürde zugesprochen wird. (Das ist übrigens genau das, was der Feminismus möchte, nur so als Hinweis ;))

Kurzum:
Man(n) kann nichts dafür, als weißer Mann geboren worden zu sein. Man(n) kann aber etwas dafür, wenn man sich dieses Privilegs nicht als solchem bewusst ist und die Ungleichbehandlung anderer durch die eigene Ignoranz weiter vorantreibt.

Anmerkung:
Ich werde nicht ausführlich darauf eingehen, wie sich welche Strukturen des „privilegierten weißen Mannes“ in der Welt etabliert haben, sondern empfehle dazu einen schönen Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Kolonialgewalt. In dieser begründet sich nämlich die Herrschaft der von mir behandelten kritisierten Klasse.
https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/postkolonialismus-und-globalgeschichte/219134/koloniale-gewalt-und-kolonialkrieg

Ebenso habe ich bewusst auf die Formulierung der „Cis-Männer“ verzichtet. Nicht weil ich das Thema oder die Nennung als unwichtig erachte, sondern weil es in diesem Beitrag um etwas anderes geht und ich keine „Zwei-Fronten-Diskussion“ eröffnen wollte. Wer sich mit dem Thema jedoch befassen möchte, kann das gerne hier machen: https://queer-lexikon.net/2017/06/15/cis-mann/

Hier noch ein schöner Beitrag zum Thema Privilegien:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/diskriminierung-und-ihre-kehrseite-wie-umgehen-mit-den.2162.de.html?dram:article_id=470354