Black Lives Matter! Aber wieso nicht „All Lives Matter“?

Nach der Tötung des schwarzen US-Amerikaners George Floyd am 25.05.2020 durch die Polizei in Minneapolis, Minnesota, erlebten wir etwas, das es in den USA schon häufig gegeben hat: Die Community der BIPoC (Black, Indigenous People of Color) begehrte gegen die immerwährende Ungleichbehandlung auf. Tausende US-Amerikaner:innen, primär aus der Gemeinschaft der BIPoC, gingen auf die Straßen und verschafften ihrem Unmut Luft. Doch Wut und Frustration aus etlichen Dekaden der Unterdrückung und Ungleichbehandlung durch die von quasi ausschließlich weißen Männern kontrollierte US-Politik und die immer dagewesene Präsenz von rassistischen Strukturen innerhalb der Behörden und auch der US-amerikanischen Gesellschaft schlugen dieses Mal deutlich höhere Wellen als vergleichbare Proteste der letzten Jahre.

Als Folge dieses rassistisch motivierten Tötungsdelikts verbündeten sich die Demonstrant:innen unter dem Hashtag „Black Lives Matter“, um einerseits ihre Botschaft deutlich zum Ausruck zu bringen, andererseits jedoch auch, um sich über die verschiedenen Social Media-Kanäle zu koordinieren. Weltweit folgte eine Welle der Solidarisierung, gekrönt durch den „Blackout Tuesday“. An diesem Tag posteten Millionen von Menschen überall auf der Welt schwarze Quadrate auf ihren Social Media-Profilen, gepaart mit dem „Black Lives Matter“-Hashtag, um ihre Unterstützung der Opfer von rassistisch motivierter Polizeigewalt auszudrücken. (1) Zwar wurde recht schnell darum gebeten, den Hashtag nicht weiter zu verwenden, um den wichtigen Informationsaustausch zwischen den diversen Protesten nicht durch Spamming zu behindern, doch der Impuls kam dennoch in nahezu der gesamten westlichen Welt an und sorgte fast überall dafür, dass endlich über Rassismus innerhalb der Polizei gesprochen wird.

Bezeichnenderweise wurden jedoch nicht nur die rassistischen Tendenzen innerhalb der Polizeibehörden in den Mittelpunkt des Austauschs gerückt, sondern gleichsam auch gezeigt, weshalb das Ganze vorher kein wichtiges Thema gewesen zu sein schien. Viele Menschen, die sich augenscheinlich noch nie wirklich differenziert mit dem Thema des Alltagsrassismus und rassistischen Tendenzen innerhalb staatlicher Strukturen auseinandergesetzt haben, teilten nämlich anstelle des „Black Lives Matter“-Hashtags den Hashtag „All Lives Matter“. Die Begründung war so einfach wie unreflektiert: Alle Menschen sind gleich! Zwar werden alle die keine Rassist:innen sind zustimmen, dass alle Menschenleben den gleichen Wert haben, doch driften hier wie so oft Theorie und Praxis weit auseinander.

Ich will jetzt nicht auf die unzähligen Berichte zu Ungleichbehandlungen von Menschen anderer Ethnien eingehen – das würde den Rahmen sprengen. Allerdings möchte ich kurz erklären, weshalb „All Lives Matter“ hier die falsche Wahl ist.

Der Gedanke hinter „All Lives Matter“ ist der, dass alles (menschliche) Leben gleich viel wert ist und keine Hautfarbe besonders hervorgehoben werden sollte. Passend dazu auch Aussagen wie: „Ich sehe Menschen, keine Hautfarben!“ Das Problem dabei ist jedoch, dass dieser Satz zwar stimmt, allerdings nur in einer Welt, in der Rassismus kein breites Problem mehr darstellt. Da wir jedoch nicht in einer solchen Welt leben, sondern überall, sowohl in den Gesellschaften, als auch in den staatlichen Strukturen Rassismus erleben, darf man dieses Problem nicht einfach stillschweigend unter den Teppich kehren.

„Black Lives Matter“ drückt explizit aus, dass eben auch das Leben schwarzer Menschen (und Menschen anderer, nicht weißer Ethnien) gleich viel wert ist, wie das Leben eines weißen Menschen. Die Hautfarbe wird deshalb besonders betont, weil es eben häufig nicht so ist, dass alle Menschen aller ethnischer Gruppen gleich und gerecht behandelt werden. Analog dazu findet sich übrigens auch die besondere Hervorhebung der schwarzen und indigenen Menschen in der Abkürzung „BIPoC“. Denn theoretisch wären ja unter „PoC“, also „People of Colour“ alle Menschen eingeschlossen, die nicht weiß sind. Da jedoch sowohl schwarze Menschen, als auch indigene Völker in der Geschichte systematisch und in besonderem Ausmaß ausgebeutet, verfolgt und ermordet wurden, wird diesen Menschengruppen eine besondere Hervorhebung zugesprochen, um dem über die Jahrhunderte verübten Unrecht Rechnung zu tragen.

Verdeutlichen kann man den Unterschied durch folgendes Bild:
Zwei Häuser stehen nebeneinander. Das eine brennt, das andere nicht. Die Feuerwehr rückt an und löscht das brennende Haus. Eine Passantin tritt in die Szene, deutet auf das nicht in Flammen stehende Haus und fragt die Feuerwehr, wieso diese nur das brennende Haus mit Wasser besprüht, nicht jedoch das andere Haus.

Diese Szene wirkt sicherlich seltsam, da jedem und jeder wohl klar sein sollte, dass man nur das Haus löscht, das auch in Flammen steht. Doch wie passt das nun zum eigentlichen Beitrag? Nun, in diesem Bild stellt das brennende Haus die Menschen dar, die von Rassismus betroffen sind. Ihr Problem muss angegangen werden und darf nicht durch den Grundsatz „All Lives Matter“ verwässert werden – also dem Gedanken, dass man doch bitte alle Häuser löschen solle, und nicht nur die brennenden.

Es gibt also einen durchaus plausiblen Grund, weshalb der vermeintlich alle Menschen einschließende Hashtag doch nicht der richtige ist und man sich ruhig auch mal in die Lage anderer, weniger privilegierter Menschen hineinversetzen sollte, damit man am Ende nicht ungewollt in ein Fettnäpfen tritt oder sich selbst in eine falsche Ecke stellt.

(1) https://www.theverge.com/2020/6/2/21277852/blackout-tuesday-posts-hiding-information-blm-black-lives-matter-hashtag